15.10.2011: Dresden-West - Spätlesen 4:4

Ein Wochenende in Schwarz und Gelb

Der Bildungshunger der Spätlesen konnte dieses Jahr in Dresden gestillt werden: Viel Kultur, viel Bewegung an der frischen Luft und auf der Tanzfläche – nur der Dynamo hat nicht gezündet.

Sowohl die Deutsche als auch die Österreichische Bundesbahn haben sich alle Mühe gegeben, uns komfortabel und pünktlich ins Elbtal zu bringen. Am Hauptbahnhof wurden wir direkt durch den Dresdener Fußball-Stadtverband in Empfang genommen und anschließend ins Glücksgas-Stadion geleitet – natürlich zu Fuß. Fußwege wurden an dem Wochenende bis auf eine Ausnahme auch durchgängig praktiziert, was besonders bei Maik mit Fortdauer auf „Freude“ stieß („Mache nie wieder eine Laufreise der Spätlesen mit!“). Aber erst mal Dank an Rolf Escher und Bernd Schulze vom SVFD (Stadtverband Fußball Dresden) für die Rundumbetreuung am Samstag. Die Besichtigung des Dynamo-Stadions – inklusive Vip-Logen, Gästekabinen und Pressekonferenzraum war beeindruckend. Ein Schmuckkästchen für gut 30.000 Zuschauer. Die Sitze natürlich fast komplett in Gelb und Schwarz. Bei Betreten des Stadions atmeten wir gleich die Glücksgase ein. Den heiligen Rasen geküsst hat aber nicht Heiko, sondern sein Spezi Rico aus Ketzin, ein wirklicher Hardcore-Dynamo-Fan, der uns ebenso am Samstag begleitete und verstärkte wie der zweite Heiko-Kumpel Robert.

„Ich brauche ein Brötchen“

Stärkung ist das richtige Stichwort – diese musste her, um überhaupt gegen sächsischen Fußball-Goliath von Dresden-West im Fußballmatch der Spätlesen den Hauch einer Chance zu haben. „Ich brauche ein Brötchen“, sagte der (Banken-)krisenerprobte Reinhold und prägte mit diesem geflügelten Wort jede weitere Diskussion und Unterhaltung. Soviel vorweg, mit einem Brötchen und einem Espresso lieferte Reinhold eine solide Leistung ab. Wahrscheinlich waren es die Currywürste der anderen – mit den unterschiedlichen Soßenschärfen – die für die Höhen und Tiefes in unserer Fußballpartie verantwortlich waren.

Bei herrlichstem Sonnenwetter waren wir zunächst irritiert, dass auf der Sportanlage parallel zum Spielfeld die Freiluftschlittschuhbahn eröffnet und rege genutzt wurde. Uns schwante, dass auch wir gleich aufs Glatteis geführt werden könnten, als wir die Gegner (wenig Grauhaarige) sahen. Entsprechend ruhig war es vor dem Spiel in der Kabine.

In Sachsen weiterhin ungeschlagen

Aber, um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Wir sind in Sachsen weiter ungeschlagen geblieben: Nach dem Sieg in Görlitz im letzten Jahr gab es am Wochenende ein 4:4 gegen Dresden-West – ein Team, das im Schnitt 15 bis 20 Jahre jünger war als die meisten von uns. Umso verwunderlicher, dass wir in der ersten Hälfte relativ schnell mit 3:0 in Führung gingen. Wir waren kombinationssicherer und abgeklärter als der Gegner. Neben den neun Spätlesen sowie Rico und Robert gingen für uns auch noch Andreas Dittmer und der 2-Meter-Hüne Jens Kruppa (seines Zeichens Olympiaschwimmer) an den Start. Uwe war es vorbehalten (er hatte offenbar Curry extrascharf), mit einem satten Schuss von der Strafraumgrenze unsere Führung zu erzielen. Nach einer schönen Kombination über mehrere Stationen war dann Andreas zum 2:0 erfolgreich. Etwas umstritten dann das 3:0, das aus einem Handelfmeter resultierte. Aber wenn Schiedsrichter und Linienrichter entscheiden, stimmt das schon. Jedenfalls ließ sich Reinhold mit einem platzierten Schuss in die rechte untere Ecke (wie immer) die Chance nicht entgehen. Auf der anderen Seite fiel das Gegentor eher zufällig, als die Abwehr auf dem feuchten Rasen etwas ins Rutschen kam und Clemens im Tor zunächst noch klären konnte, aber im zweiten Versuch überwunden wurde.

Wenn Engländer Elfmeter schießen

Mit dem beruhigenden Vorsprung ging es in die Pause und danach sah es zunächst weiter nach einem deutlichen Sieg der Brandenburg-Dynamos aus. Rico stellte sich als Slalomgott heraus und konnte mehrfach die Gegner wie Laufstangen umkurven. Einmal gelang ihm dabei auch ein erfolgreicher Abschluss zum zwischenzeitlichen 4:1. Danach kam kurz die Phase des Übermutes. Als Jens durch war und im Strafraum geschickt kreuzte, zwang er den Gegner zum Foul und zum zweiten Elfmeterpfiff für uns. Aber der Gefoulte trat nicht selber an, sondern bestellte geschichtskundig unseren Engländer Adam zum Elfmeterpunkt. Wiedergutmachung für Gareth Southgate sozusagen, der im EM-Halbfinale 1996 beim Stand vom 6:6 im Elfmeterschießen an Andi Köpke scheiterte und uns den bislang letzten Titel bescherte. Kurze Rede, langer Sinn: Kein Vorwurf an Adam. Sein Ball war gut geschossen, aber auch er konnte den Fluch nicht überwinden und scheiterte am cleveren gegnerischen Keeper. Danach ging der Schuss nach hinten los. Jetzt machten sich die scharfen Currygewürze (und bei Andreas und Kruppi wohl die fehlende Nachtruhe) bemerkbar. Fehler in der Vorwärtsbewegung führten zu Kontern und zu drei ähnlichen Gegentoren. Clemens, der wirklich super hielt, war mitunter ziemlich allein mit den schnellen Stürmern im Strafraum. Ab Mitte der zweiten Halbzeit fingen wir uns dann wieder und hatten ebenso wie die Gegner noch Chancen zum Siegtreffer. Alles in allem aber ein leistungsgerechtes Unentschieden. Dank an die fairen Gegner und das Schiedsrichter-Trio (so was hatte wir ja noch nie). Man of the match: Neben Clemens wusste vor allem Jens noch durch Lauf- und Kampfbereitschaft zu gefallen.

Gediegen im Sophienkeller – unplugged in der Russendisko

Nach so viel Bewegung ging es erst einmal in die City-Herberge zur Inspektion unserer Vierbettzimmer und von da aus in die Altstadt in den ehrwürdigen Sophienkeller (www.sophienkeller-dresden.de) zur Stärkung bei Schweinshaxen und isotonischen Getränken. Anschließend dann der lange Marsch von der Alt- in die Neustadt. Erstmals Grummeln bei Maik, warum kein Taxi zum Einsatz käme. In Rosis Kneipenklub angekommen, waren dann die Strapazen vergessen. Bekömmliches Astra-Pils sorgte außerdem für gute Stimmung, die dann mit dem Wechsel in die Russendisko zum Kremlcocktail immer weiter zunahm. OstPol (www.ost-pol.de) heißt das SB-Lokal (wobei noch zu klären ist, ob SB für Selbstbedienung steht) mit DDR-Interieur und –Charme, das sogar noch Eintritt nehmen konnte. 1968 projektiert, 2008 dann eröffnet. Eine gründliche und lohnende Vorbereitung. DJ Kremkow heizte mit Balkanbeats derartig ein, dass sich auch die Spätlesen fast keinen Fuß von der Tanzfläche wegbewegten. Dermaßen durchtrainiert war es kein Wunder, dass wir die gemeinsame Heimreise in die Herberge frühmorgens wieder per Pedes antraten und erfolgreich beendeten – trotz vereinzeltem Grummeln.

Doch Grünes Gewölbe statt blau machen

Fast komplett startete die Truppe dann am zweiten Tag dem Höhepunkt entgegen – dem Besuch im Neuen Grünen Gewölbe (nicht im Historischen Grünen Gewölbe). Schmiedekunst, Elfenbeinskulpturen, Email-Arbeiten (Eh-maa-lii-ee gesprochen, nicht mit Outlook zu verwechseln) und Gold ohne Ende. Eine unvergleichliche Schatzkammer, für die wir uns entsprechend Zeit (inklusive elektronischem Guide) nahmen. Selbst Heiko hätte fast den Aufbruch zum Dynamo-Spiel vergessen. In Anbetracht des Ergebnisses – 1:1 und Dynamo-Ausgleich erst in der 93. Minute per Kopf – und eines grottigen Spiels wäre das Verweilen im Dresdener Schloss eine denkbare Alternative gewesen. Die wenigen Aachener hatten zum Glück und zur Aufmunterung wenigstens ein paar Böller dabei. Zudem sorgte David Odonkor mit einigen Laufeinlagen und Provokationen für Stimmung. Bekam dafür beim Eckball sogar einen Regenschirm gehalten. Und die 30.000 in der Glücksgas-Arena stehen wie ein Mann/eine Frau hinter Dynamo - Kompliment. Also, auf alle Fälle ein stimmungsvolles Gemeinschaftserlebnis - von Heiko, Uwe, Marcus, Adam, Clemens, Reinhold, Maik, Jens und Christian.

Fazit

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Letztes Jahr waren wir noch ein Dutzend, dieses Jahr neun Spätlesen. Hoffentlich nächstes Jahr dann nicht nur sechs, sondern mindestens wieder zweistellig. Es war ein gelungenes Wochenende mit perfekter Organisation: Dafür vor allem Dank an Clemens und Heiko. Für nächstes Jahr steht eine Fahrt an die Müritz zu einem Fußballturnier im Raum. Das lassen wir also mal auf uns zukommen. Jetzt heißt es zunächst umzuswitchen von schwarz/gelb zu blau/gelb. (CR)